Bereits mit den römischen Legionen kamen Juden in das Rheintal, und zur Zeit Karls des Großen entstanden entlang der Handelsrouten an Rhein und Mosel zahlreiche jüdische Gemeinden. 

Vom 10. bis 13. Jahrhundert gab es außer in den bekannten SchUM-Städten Speyer (= Schpira = Schin = Sch), Worms (= Warmaisa = Waw = U) und Mainz (= Magenza = Mem = M) auch in Trier, Köln, Koblenz, Boppard, Oberwesel und Bingen jüdische Gemeinden. Im 12. Jahrhundert sind Juden in Bacharach nachgewiesen. 

In ihren Sitten und Gebräuchen, in den ihnen zugewiesenen Berufen und Betätigungsfeldern deutlich abgegrenzt von ihren christlichen Nachbarn, waren sie dennoch ein wichtiger Teil des wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Lebens. 

Bis in die Neuzeit und zur Verfolgung im Dritten Reich erlebten die Juden eine äußerst wechselvolle Geschichte – Zeiten sozialen Aufstiegs, kultureller Blüte und wirtschaftlichen Erfolgs wechselten mit grausamster Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung.

Ein erster Hinweis darauf, dass Juden in Wiesbaden gelebt haben, stammt aus dem Jahre 1330. In der Folgezeit waren hier stets nur sehr wenige jüdische Familien ansässig. Nach ihrer Vertreibung um 1625 siedelten sich jüdische Familien erst wieder Mitte des 17. Jahrhunderts in der Stadt an, blieben aber vom gesellschaftlichen Leben in der Stadt weitestgehend ausgeschlossen. 

Die Juden waren in ihrem Handeln weitgehenden Beschränkungen unterworfen. Auch im Kur- und Badebetrieb wurden jüdische Gäste diskriminiert: So durften sie nicht zusammen mit Christen Badehäuser besuchen und die Kurpromenaden betreten; eigene jüdische Badehäuser wurden laut „Jüdenordnung“ der Herzogin Charlotte Amalie von Nassau-Saarbrücken 1732 eingerichtet. 

Der bis zu diesem Zeitpunkt in der Metzgergasse (der heutigen Wagemannstraße) untergebrachte jüdische Betraum wurde 1732 in das bereits seit 1724 als jüdisch ausgewiesene Badhaus „Zum Rebhuhn“ („Rebhinkel“) verlegt. 1735 zogen der Synagogen- und Schulraum vom Haupthaus in einen Anbau um, das heutige Gebäude Spiegelgasse 11. Der erste Wiesbadener Rabbiner Abraham Salomon Tendlau, zugleich Eigner des Badhauses „Zum Rebhuhn“, verkaufte den Besitz 1832 an Isaak Hiffelsheimer, der das Nachbargrundstück hinzuerwarb und auf dem so erweiterten Areal ein erheblich größeres Haupthaus mit drei Vollgeschossen errichten ließ – den „Pariser Hof“ (heutige Anschrift: Spiegelgasse 9)

Vignette mit Ansicht der Spiegelgasse (heute 9) um 1850; Stadtarchiv Wiesbaden Sig. 009565

Mit dem Verkauf dieses Gebäudes an Hofrat Friedrich von Wagner im Jahre 1837 endete die jüdische Tradition des Hauses. Im Laufe der Jahre wechselten die Besitzer und auch das Erscheinungsbild des Gebäudes in der Spielgasse 9 mehrfach. 

Um 1900 wurden Neo-Rokoko-Motive über den Fenstern der ersten Etage angebracht, die (obgleich nicht nach jedermanns Geschmack) heute ein Erkennungsmerkmal des Gebäudes darstellen. Auch die Rundbogenfenster aus Sandstein im Erdgeschoss prägen seinen besonderen Charakter.

Personaleingang Hotel Nasser Hof um 1890; Foto: Gebrüder Pfusch; Quelle Stadtarchiv Wiesbaden

Die Spiegelgasse 9 und 11 zählten zu den wenigen Gebäuden im Quellenviertel, welche die Bombardierung am Ende des Zweiten Weltkrieges halbwegs unversehrt überstanden hatten.

1945; Blick auf das Gebäude Spiegelgasse 9, Foto: Willi Rudolph, Quelle Stadtarchiv Wiesbaden
1945; Blick auf das „Palast Hotel“; Foto: Willi Rudolph, Quelle Stadtarchiv Wiesbaden


Im „Pariser Hof“ fanden mehrere Unternehmen ein erstes Unterkommen – unter anderen der Musikalien-Verlag „Breitkopf & Härtel“.

Anfang der 1950er Jahre; Spielgasse 11 und 9; Sammlung Breitkopf & Härtel im Stadtarchiv Wiesbaden
Anfang der 1950er; Jahre; Klingelschild, Sammlung Breitkopf & Härtel im Stadtarchiv Wiesbaden
Anfang der 1950er Jahre; Verlag-Geschäftsstelle; Musikalienverlag Breitkopf & Härtel Quelle: Stadtarchiv Wiesbaden

Dem Gebäude in der Spiegelgasse 11 drohte 1987 der Abriss. Für einen Erhalt des Hauses warb der Verein „Wiesbadener Museum der Neuzeit” mit Nachdruck. Sein Anliegen traf in der Wiesbadener Bevölkerung auf breite Unterstützung. Um die Protestaktivitäten zu bündeln, wurde im März 1988 der „Förderkreis Aktives Museum Deutsch-Jüdischer Geschichte in Wiesbaden” gegründet. Anliegen dieser Initiative war nicht nur der Erhalt des Gebäudes, sondern auch und vor allem die frühen Spuren jüdischen Lebens in Wiesbaden zu bewahren und zugänglich zu machen. Schließlich gilt:

Jüdisches Leben gab es vor und gibt es nach der Shoah, dem vom NS-Regime organisierten Völkermord an den Juden. Keine gesellschaftliche Gruppe und ihre Bedeutung lässt sich verstehen, wenn man nur die ihr mit brutaler Gewalt aufgezwungene Opferrolle in den Blick nimmt und ausblendet, wie sie sich selbst versteht, organisiert, behauptet…

Das Engagement des Förderkreises und anderer Akteure zeigte Wirkung, die Gebäude blieben erhalten, die von der Initiative angestoßene Erinnerungsarbeit nahm nach und nach feste Formen an.   

1993 konnte in direkter Nachbarschaft zum „Pariser Hof“, der Spiegelgasse Nr. 7, eine eigene Geschäftsstelle der Initiative eingerichtet werden, mit Raum für eine Bibliothek und ein Archiv. Ab diesem Zeitpunkt nannte sich der Verein „Aktives Museum Spiegelgasse für Deutsch-Jüdische Geschichte in Wiesbaden e. V.“.

Der etwas sperrige Name „Aktives Museum“  macht durchaus Sinn: Das Wort „Museum“ steht für Erinnern, Bewahren; das Wort „aktiv“ für die fortgesetzte Bereitschaft zur  Einmischung in gesellschaftliche Kontroversen, den Versuch, dem Wort „Nie wieder“ praktische und wirksame Taten folgen zu lassen.

Die 1999 abgeschlossene Sanierung des Hauses „Spiegelgasse 11“ ermöglicht dem „Aktiven Museum“ dort die regelmäßige Durchführung von Ausstellungen.

Im Herbst 2009 zog die Geschäftsstelle des AMS mit Bibliothek und Archiv von der Spiegelgasse Nr. 7 in die 1. Etage der Spiegelgasse Nr. 9 um – also just an den Ort, wo einst das jüdische Badhaus „Zum Rebhuhn“ anzutreffen war und heute der „Pariser Hof” zu finden ist.

Die Geschäftsstelle und Bibliothek des AMS, Spiegelgasse 9, 2008; Foto: Hugo Dönges

* Titelbild: Ausstellungshaus des AMS, Spiegelgasse 11, Aufnahme 2001,Sammlung Axel Ulrich im Stadtarchiv Wiesbaden